Du warst immer für mich da, ich habe einen großen Teil meiner Kindheit bei Dir verbracht. Nach der Vorschule, Tag für Tag, verbrachte ich den Nachmittag bei Dir. Du hast mich zwar gerügt, aber nachtragend warst Du nie! Das habe ich von Dir gelernt, dass wenn sich jemand für etwas entschuldigt, dass ich ihm vergeben soll, denn die Zeit in der wir auf dieser Welt sind ist viel zu kurz.
Trotzdem ich viel Zeit mit Dir verbringen konnte, finde ich sie immernoch zu kurz. Ich kann nicht glauben, dass ich Dich nie wieder sehen, Dich in die Arme nehmen kann, Dir nie wieder "ich hab' Dich lieb!" sagen kann.
Du warst krank aber trotzdem immer der starke, witzige Part in der Familie. Ich konnte so gut mit Dir reden, obwohl ich oft Deine sehr direkte Art verfluchen wollte. Aber Du warst eben "mein" charmanter Stinkstiefel. Wenn ich früher bei Dir übernachtet habe, hast Du mir Geschichten von der "hohen See" erzählt und mir zum Einschlafen mit der Mundharmonika vorgespielt, immer wieder diese Seemannslieder - die alten Shantys. Oft auch "Biscaya" von James Last. Ich hatte dieses Lied sehr lange nicht mehr gehört, bis Donnerstag, auf Deiner Trauerfeier... Ich habe mich selten so alleine gefühlt. Ich kann meine Leere in mir nicht einmal in Worte fassen.
Du warst immer für mich da: wir sind viel in der Natur gewesen und Du hast mir so viel beigebracht, auch wenn Du manches Mal an mir am Liebsten verzweifelt wärst, z.B. als ich auch nach dem zehnten Mal erklären immernoch nicht verstanden hatte, "wie ich Gerste von Weizen unterscheiden kann!" und ich kann Dir sagen, ich weiß es bis heute nicht.
Gerade in der letzten 5 Jahren warst Du für uns da, meinen Bruder und mich. Durch Deine Krankheit geschwächt, hast Du es Dir trotzdem nie nehmen lassen, uns durch selbstgemachte Geschenke zu verwöhnen. Ich weiß noch wie ich das eine Jahr, da war ich ca. 4 Jahre alt, ein Kinderspielhaus, ganz aus Holz mit Elektrik, Gardienen und einer wunderschönen Verzierung von Dir bekommen habe. Ich war soooo glücklich. Ein anderes Jahr habe ich von Dir eine ganze Puppenstube für meine richtigen Puppen geschenkt bekommen. So etwas kannte ich bis dahin nur aus dem Kindergarten. Und ich war so stolz!
Vor zwei Wochen hast Du mir gesagt, dass ich Dein Lieblings-Enkelchen bin, "Dein Mädchen!". Ich habe mich zwar gefreut, doch auch irgendwo nicht ernst genommen, schließlich ist mein Bruder ja auch noch da.
Wir wussten alle, wie sehr Dich Deine Krankheit geschwächt hat und doch kam alles so plötzlich. Ich würde Dich so gerne noch einmal in den Arm nehmen und Dir sagen wie lieb ich Dich hab. Es ist alles noch so unwirklich.
Einschlafen dürfen, wenn man müde ist,
und eine Last fallen lassen dürfen,
die man lange getragen hat,
das ist eine köstliche, wunderbare Sache.
(Hermann Hesse)
Ich bin froh, dass ich meine Familie habe, die mir den Rücken stützt. Meine Freunde die meine Tränen wegwischen.
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